Der Einkauf befindet sich im Wandel. Dabei handelt es sich nicht einfach um einen weiteren Technologietrend – sondern um einen grundlegenden Umbruch, der von agentischer KI angetrieben wird. Diese Technologie zu verstehen, ist für Einkaufsleiter:innen nicht mehr optional. Es ist essenziell, um wettbewerbsfähig zu bleiben und echten geschäftlichen Mehrwert in zunehmend volatilen Märkten zu schaffen.
Der heutige Einkauf findet in einem Umfeld statt, das sich radikal vom Zustand vor zehn Jahren unterscheidet. Herkömmliche Prozesse – häufig manuell, datenisoliert und reaktiv – geraten unter dem Druck zunehmender Marktvolatilität, wachsender Lieferkettenkomplexität sowie der schieren Datenmenge und -geschwindigkeit ins Wanken.
Einkaufsteams kämpfen damit, Schritt zu halten – mit der Folge verpasster Einsparpotenziale, erhöhter Lieferantenrisiken, langsamer Marktreaktionen und mangelnder Fokussierung auf strategische Aufgaben. Zwar bieten gängige Softwaretools Unterstützung, doch es fehlt ihnen oft an echter Intelligenz und Autonomie, um diese Herausforderungen proaktiv zu meistern.
Genau hier kommt agentische KI als zukunftsweisende Kernkompetenz ins Spiel. Im Zentrum steht dabei die Fähigkeit von KI-Systemen, autonom zu handeln, um bestimmte Ziele zu erreichen. Anders als traditionelle KI, die lediglich Daten analysiert oder festen Regeln folgt, können agentische Systeme ihre Umgebung (die Einkaufslandschaft) wahrnehmen, Schlüsse ziehen, mehrstufige Maßnahmen planen und Aufgaben mit minimalem menschlichem Eingriff selbstständig ausführen.
Für den Einkauf bedeutet das kognitive Automatisierung – Systeme, die nicht nur Aufgaben ausführen, sondern den Kontext verstehen, aus Ergebnissen lernen und eigenständig Entscheidungen treffen, um Effizienz zu steigern, Ausgaben zu optimieren, Risiken zu minimieren und datenbasierte Strategien zu ermöglichen.
Die wichtigsten Vorteile:
Einer der dauerhaft größten Ressourcenfresser im Einkauf ist das enorme Volumen an repetitiven, manuell durchgeführten Tätigkeiten mit geringem strategischem Mehrwert. In vielen mittelgroßen bis großen Unternehmen beansprucht dieser Verwaltungsaufwand über 50 % der Arbeitszeit von Beschaffungsexpert:innen. Das führt nicht nur zu Überlastung und sinkender Arbeitszufriedenheit, sondern verursacht auch erhebliche finanzielle Kosten.
Hinzu kommt: Manuelle Prozesse sind anfällig für menschliche Fehler – mit potenziellen Folgen wie finanziellen Verlusten, Compliance-Verstößen oder beschädigten Lieferantenbeziehungen. Ihre Skalierung ist meist ineffizient.
Hier bietet agentische, KI-gestützte Einkaufsautomatisierung eine wirkungsvolle Lösung. Durch den Einsatz autonomer Beschaffungs-KI-Systeme können Unternehmen Transaktionsaufgaben an KI-Agenten übergeben, die rund um die Uhr schnell und präzise arbeiten.
Konkret können intelligente RFP-Automatisierungen den Beschaffungsprozess erheblich beschleunigen – von der Dokumentenerstellung über Lieferantenkommunikation bis hin zur Analyse der Erstangebote. Die Effekte sind deutlich:
Die Auswahl der richtigen Lieferanten ist zentral für den Beschaffungswertbeitrag – und bleibt zugleich eine der größten Herausforderungen. Ohne ganzheitliche Einblicke kommt es schnell zu suboptimalen Entscheidungen: unzuverlässige Lieferanten, verpasste Innovations- oder Einsparpotenziale sowie verspätete Reaktionen auf Störungen oder Compliance-Vorfälle. Ein reaktiver Ansatz, bei dem Risiken erst adressiert werden, wenn sie bereits eingetreten sind, reicht heute nicht mehr aus.
Hier ermöglicht agentische KI einen proaktiven, datengetriebenen Ansatz. Mithilfe ausgefeilter Algorithmen analysieren diese Systeme große Datenmengen und bieten tiefere Einblicke für bessere Entscheidungen. KI-gestützte Risikobewertungen ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung und frühzeitige Identifikation potenzieller Gefahren – von finanzieller Instabilität über geopolitische Risiken bis hin zu ESG-Verstößen.
Selbstlernende Algorithmen durchsuchen kontinuierlich den Markt, identifizieren und bewerten Lieferanten anhand definierter Kriterien (Kosten, Qualität, Standort, Diversität, Risikowertung) und verbessern ihre Empfehlungen durch Erfahrungswerte.
Ein wachsender Trend: Die Algorithmen erkennen auch Chancen jenseits des Risikos – etwa innovative Anbieter oder mögliche Einsparpotenziale durch Konsolidierung.
Maverick Spending – Einkäufe außerhalb etablierter Prozesse und Verträge – untergräbt systematisch den Wertbeitrag des Einkaufs. Es führt zu entgangenen Einsparungen, schlechterer Ausgabentransparenz und erhöhtem Compliance-Risiko. Nicht autorisierte Lieferanten, nicht konforme Produkte oder Verstöße gegen interne und externe Vorschriften sind keine Seltenheit. Die manuelle Identifikation solcher Fälle ist aufwändig.
Agentische KI bietet eine wirksame Methode, um Compliance zu automatisieren und Maverick Spending deutlich zu reduzieren. Selbstständig arbeitende Beschaffungstools können in bestehende Einkaufsprozesse eingebettet werden, um Nutzer:innen automatisch zu bevorzugten Lieferanten und Rahmenverträgen zu leiten.
Diese proaktive Kontrolle ersetzt reaktive Prüfprozesse durch integrierte, automatisierte Compliance-Mechanismen.
Die Ergebnisse sprechen für sich:
Vertragsverhandlungen stellen oft Engpässe dar. Neben Verzögerungen entstehen dabei auch Wertverluste. Menschliche Verhandlungsführer:innen können nicht alle Datenpunkte – Marktbenchmarks, historische Leistungen, Vertragsklauseln, Risiken – parallel analysieren. Das führt zu uneinheitlicher Sprache, verpassten Chancen (z. B. Zahlungsfristen, Haftungsgrenzen, Service-Level) und Verträgen, die weder optimalen Wert noch Risikominimierung bieten.
Dank agentischer KI wird autonome Vertragsverhandlung möglich. KI-Agenten können bestimmte Runden oder ganze Verhandlungen übernehmen – basierend auf Strategien, akzeptablen Schwellenwerten und bewährten Verfahren.
Diese Agenten vergleichen Angebote mit historischen Daten, Benchmarks und internen Leitlinien – schneller und gründlicher als Menschen. Predictive Procurement Analytics ermöglicht es der KI, Lieferantenreaktionen vorauszusehen, Kompromisse zu erkennen und optimale Verhandlungsparameter vorzuschlagen.
Vorteile dieses Ansatzes:
So überzeugend die Vorteile sind – die Einführung ist nicht trivial. Oft ist nicht die Technologie das Problem, sondern ihre Integration in fragmentierte IT-Landschaften. Altsysteme, getrennte Datenquellen und Datensilos behindern die Konnektivität, die KI-Agenten benötigen. Auch interne Faktoren spielen eine Rolle: Widerstand gegen Veränderungen, fehlende Kompetenzen im Team, Datenschutzbedenken und das Misstrauen gegenüber „Black Box“-Entscheidungen.
Der Schlüssel liegt in einer strategischen Einführung. Am effektivsten sind gestaffelte Rollouts, beginnend mit klar definierten Use Cases, die schnell messbaren Mehrwert liefern. Die nahtlose Integration agentischer KI mit ERP-Systemen und P2P-Suiten ist dabei essenziell für den Datendurchfluss. Begleitend braucht es umfassendes Change Management: transparente Kommunikation, Schulungen, Upskilling und klare Governance-Strukturen. Frühzeitige Adressierung von Sicherheits- und Ethikfragen schafft Vertrauen und Akzeptanz.
Im Vergleich zu agentischen Systemen zeigen sich die Schwächen alter Tools deutlich. Meist setzen sie auf regelbasierte Automatisierung: „Wenn X, dann Y“. Sie lernen nicht, reagieren nicht flexibel und bieten nur beschreibende Analysen. Deshalb ist menschliches Eingreifen weiter erforderlich – etwa bei Strategie, Problemlösung oder Risikomanagement.
Agentische KI zeichnet sich aus durch Autonomie, Zielorientierung und Lernfähigkeit. Sie analysiert Daten, zieht Schlüsse und optimiert kontinuierlich.
Kernvorteile:
Das Ergebnis: Mehr Intelligenz, Flexibilität und strategischer Impact. Was noch fehlt, ist der Beweis ihres Mehrwerts.
Technologieinvestitionen erfordern eine klare Nutzenargumentation. Das gilt auch für agentische KI. Besonders schwer zu quantifizieren: Risikosenkung, Lieferantenpartnerschaften und organisatorische Agilität. Wichtig ist eine saubere Baseline vor dem Rollout und die Verbindung von Einkaufs-KPIs mit den Unternehmenszielen.
Der ROI setzt sich aus quantitativen und qualitativen Vorteilen zusammen. Zu den messbaren Effekten zählen Effizienzgewinne (z. B. gesparte Stunden), direkte Einsparungen, bessere Lieferantenleistung und reduzierte Risikokosten.
Predictive Analytics innerhalb autonomer KI-Systeme können direkt finanzielle Vorteile bringen. Ebenso wichtig: bessere Entscheidungen, zufriedene Mitarbeitende, höhere Compliance und resilientere Lieferketten.
Fazit: Eine ganzheitliche Business-Case-Betrachtung – aus harten Einsparungen und strategischem Mehrwert – ist die beste Grundlage, um in agentische KI zu investieren und den Einkauf zum echten Werttreiber zu machen.